Matthi ist Vergangenheit und Zukunft und ein Freund und wir wollen nach Florida. Auch Florida ist Vergangenheit und Zukunft.
Matthi kommt aus Stuttgart Hbf mit ICE 616 1 Sitzplatz, Wg. 21, Pl. 41, 1 Fenster, Großraum und ich steige 5.50 Uhr in den Zug nach Frankfurt. Ich bin 16 Minuten früher da. Das sollte reichen für mich, um den richtigen Bahnsteig zu finden. Wir wollen früh da sein zum Checkin in Frankfurt. Wir fliegen diesmal nicht Airberlin, sondern mit US-Airways und auch mit einem Stop. Das Ganze kostet uns dann pro Person 300 weniger, allerdings brauchen wir etwas mehr Zeit. Davon haben wir ja zur Zeit reichlich und in Charlotte waren wir ja auch beide noch nicht. Charlotte ist auch die Frau von John und eben dieser Flughafen in North Carolina.
Ohne Nachzudenken haben wir unsere Flüge einzeln gebucht, so dass wir nun natürlich auch nicht zusammen sitzen werden. Deshalb der frühe Start zum Flughafen, vielleicht gelingt es ja noch, die Plätze zu tauschen, nicht miteinander, aber so, dass wir zusammen sitzen können.
Die Dame am Airways-Schalter ist noch nicht ganz munter und knurrt uns etwas unlustig an. Die Platztauschfrage beantwortet sie mit: Die Maschine ist ausgebucht, es werde schon Geld geboten, wenn man einen Tag später fliegen würde und sowieso müsse sie uns erst einmal einchecken. Matthi setzt sein schönstes Lächeln auf, klimpert mit den Augen und nun hatte sie auf einmal doch 2 Plätze gefunden. Matthi tauschte nun von Platz 40 auf Platz 14 Gang und den Rest sollten wir dann direkt im Flieger klären. Der Flughafen Charlotte wäre zwar nicht groß, aber trotzdem sind 1:35 h sehr wenig Zeit in Amerika für´s Umsteigen. Zwei Stunden müsse man da schon einplanen. Wir müssten ja auch noch auf das Gepäck warten. Die Kollegin am Nachbarschalter reicht ihr Brillenputztuch an *unsere* Betreuerin weiter und als ich frage: Darf ich es auch noch haben? schießt die Stimmung der Ladies geradezu in die Höhe Richtung Himmel. Jetzt habe ich den ultimativen Durchblick und nun hat sie uns geradezu lieb gewonnen und pflastert kurzentschlossen 2 Priority-Aufkleber auf unsere Koffer, damit diese als erstes auf das Band geschmissen werden. Wir versprechen ihr ein Foto von unserem ersten Drink auf floridanischem Boden und verabschieden uns mit positiven Wellen. Für sie ist nun der Tag nun in Ordnung, für uns sowieso! Jeden Tag eine gute Tat. Haben wir nun abgehakt.
Im Flieger trennt sich dann Matthi von seiner Nachbarin auf Reihe 14, obwohl diese schwäbische Wurzeln hat und Stuttgart mehr liebt als jeden Ort der Welt. Es muss ihm sehr schwer fallen, wenn ich an seine bedingungslose Hingabe zu Stuttgart denke. Jedenfalls kommt er noch vor dem Frühstück nach Reihe 20 und nun haben wir Zeit zu quasseln und so.
In Charlotte landen wir 25 Minuten früher, die Immigration ist schmerzfrei, 4 Finger der rechten Hand und keinen Thumb, mal kurz in die Linse geblinzelt und nicht ein Frage nach Urlaub oder Gemüsemitbringsel im Gepäck.
Unsere Koffer werden natürlich nicht bevorzugt behandelt, kommen aber trotzdem relativ fix aus dem großen schwarzen Loch in der Wand. Ich verstaue meinen in einer versiegelten Tüte befindlichen Schnaps im Koffer. Wir müssen ja erneut durch den Security-Check und die Amis sehen die verplombten Beutel nicht als sicher genug an. Matthi hat seinen Schnapstüte noch in der Hand als wir unsere Koffer nun wieder abgeben. Kurz bevor seiner auf dem schwarzen Gepäckband verschwindet, fällt ihm das dann auch auf. Flüssigkeiten über 100 ml geht ja nun mal nicht im Handgepäck. Die Sicherheitsbestimmungen sind da eineindeutig.
Er schreit leise die Mädels hinter dem Gepäckband an und eine springt auch. Sie weiss allerdings nicht welchen Koffer Matthi meint. Left, the left brüllt er nun das Mädel am Band an, die die Spannweite ihrer Arme völlig ausnutzt und breitarmig auf 2 Koffern ihre Hände liegen hat. Sie hat es geschafft und freut sich über ihren Erfolg. So einfach macht man Menschen glücklich, denk ich. Matthi verstaut den Schnaps im Koffer, wir bedanken uns artig, blödeln noch ein wenig mit den Mädels rum, erörtern kurz die Konsequenzen, wenn wir die Flasche hätten austrinken müssen und weiter geht es zum Security Check. Wir stehen und warten und stehen und warten und dann sitzen wir aber glücklich am Gate und haben noch 15 Minuten Zeit bis zum Bording.
Die alte Klappermaschine kenne ich nur von Flügen vor 20 Jahren mit Hungarian Airlines. Macht nix, wir landen pünktlich. Nur einer hat es nicht geschafft. Mein Koffer! Er liegt einfach nicht auf dem Band.
Die Lady von lost&found in Fort Myers scannt meinen Gepäckabschnitt und meint, der Koffer käme 2 Stunden später mit der nächsten Maschine. Nach Austausch der Telefonnummern, Angabe unserer Adresse und einer Bestätigung über das verlorene Stück fahren wir zu Rib City. Der Koffer soll heute Abend noch nachgeliefert werden. Ich freu mich über den Service. Später stelle ich fest, dass fast alle Fluggesellschaften verlorene Koffer nachliefern. Rib City hält, was es immer versprochen hat und das Bier kostet heute nur einen Viertel Dollar. Als wir einige Stunden später in der Villa ankommen ist der Koffer trotzdem nicht da. Die versprochenen 2 Stunden Nachlieferfrist sind vorbei. Ich ziehe eine Shirt von Matthis Freund an und ansonsten denk ich, das kann ja mal ganz toll werden, so ohne Klamotten. Der Gesetzgeber schreibt eine Entschädigung bis max. bis 1300 je Koffer vor. Die ersten davon gedenke ich gleich auszugeben für die notwendigsten Toilettenartikel. Heimlich überlege ich, was mir lieber wäre, mir neue Klamotten zu kaufen oder den Koffer zurück zu bekommen. Ich entscheide mich für den Koffer, heimlich, versteht sich.
Musste ich eigentlich nun nicht. Am nächsten Morgen ist der Koffer da. Ich kann mich entspannen.